Es fällt mir schwer, darüber zu schreiben. Und hier ist eigentlich nicht das richtige Forum dafür. Dennoch heute ein paar Informationen. Im März 2022 brach der Krieg in der Ukraine aus. Putin meint irgendwie, dass er kurzerhand ein europäischen Land überrollen kann in ein paar Wochen. Natürlich sollen wir uns nicht in die inneren Dinge eines Landes einmischen. Aber die Ukrainer sind ein anderes Volk, sie sind wie du und ich. Es wurde nicht damit gerechnet, dass die fast ganze Welt hinter den Ukrainern stehen wird. Aber so ist es.
Wir hatten Glück und haben Platz im Haus, dadurch dass unsere Kinder ausgezogen sind. Also nahmen wir eine 3-köpfige Familie mit Hund aus der Ukraine bei uns auf. Sie wohnten in 2022 fast ein halbes Jahr bei uns.
Damit war der Ukrainekrieg auch bei uns im Haus. Es war schwer für sie, alles zu verlieren. Sie kommen aus Butscha, dem Ort der bekannten Gräueltaten, einem Vorort von Kiew, so wie Dransfeld zu Göttingen. Ein friedlicher Ort mit Häusern, Bäumen, Kindergelächter, Haustieren, Gassen, Straßen und Plätzen. Ein erster Fluchtversuch mit dem Auto schlägt fehl, auf das Auto wird geschossen, sie flüchten in einen Wald. Lange Zeit später trauen sie sich zurück. Der zweite Fluchtversuch mit dem vom Papa geschenkten Auto gelingt, das zerschossene Auto geht nicht mehr. Kurz nach ihrer gelungenen Flucht wurde eine andere Familie mit Baby und kleinem Hund von den Russen an der gleichen Stelle, wo sie durch eine Kontrolle mussten, getötet.
Im Internet finden sich viele, unzählige, die helfen wollen, die sich privat organisieren, erst einmal den Geflüchteten zu helfen, unbürokratisch. Eine riesige Welle, auch in Göttingen sind wir über eine Freiwillige mit in der Ukrainehilfegruppe mit organisiert. Auch wir schwimmen mit, erste Kontakte werden geknüpft. Ein generelles Unverständnis der Ukrainer für kleine Ortschaften – in der Ukraine gibt es nur „Leben“ in einer größeren Stadt, das Land, die Dörfer, kleinen Städte sind oft noch nicht so weit entwickelt wie bei uns. Viel Städter lehnen es ab, überhaupt Dransfeld nur in Erwägung zu ziehen. Eine erste Familie, die bei uns ankommt, reist gleich wieder ab. Die zweite Familie bleibt.
Habe viel Gelegenheit zu lernen, Formulare auszufüllen – bin da jetzt Profi drin. Müsste ich eigentlich in meinen Lebenslauf schreiben. Wie es ist, eine traumatisierte Familie aufzunehmen, neben allem, was wir hier haben? Die Kraft kam, viel Geduld, buchstäbliches Leben in der Lage. Ich bereue keinen Tag davon. Sie sind wunderbare Menschen. Und das Hobby unserer Ukrainerin – Torten backen – und sie kann sie backen! kommt natürlich super bei uns an. Es sind unglaubliche Kreationen. Mittlerweile sind sie in einer eigenen Wohnung, die Tochter hat ihr Abi online in der Ukraine – die digital viel weiter ist als wir – abgeschlossen und studiert irgendwas mit IT und Ingenieurswesen online in der Ukraine, die Partneruni ist Magdeburg. Das Mädchen spricht Deutsch schon auf hohem Niveau und man hört kaum Akzent. Sie wird zum Wintersemester nach Magdeburg gehen und dort in deutscher Sprache studieren. Die Mama ist hier überraschend zum zweiten Mal Mutter geworden, ein kleiner Sohn. Er ist der Ebenbild von Papa. Der Papa kümmert sich um alles.
Auch jetzt sind sie noch für uns da. Sie sind als Fremde gekommen, sie sind Familie geworden. Und wir sind ihre deutsche Familie geworden.
Noch ist Krieg in der Ukraine. Ich bete jeden Tag um Frieden für sie.